Deutschland – Polen – Tschechien

Gestartet sind wir zu unserer ersten Fahrradtour im Juli 2018 in Görlitz. Nachdem Hennings Vater, Rudi, Zweirad-Mechaniker und selbst begeisterter Radfahrer, uns zu seiner Cousine in den Osten in die Nähe von Görlitz gebracht hatte, verbrachten wir dort mit ihm und seiner Familie einen wirklich schönen Nachmittag und Abend. Wir hätten uns kaum einen besseren Start wünschen können, denn so konnten wir am nächsten Tag nicht nur ausgeruht am Morgen unsere Tour starten, sondern machten die Bekanntschaft von einer sehr liebenswerten Familie. Wir wurden so unglaublich herzlich aufgenommen, obwohl sie uns zuvor nicht gekannt hatten und verbrachten gemeinsam einen wirklich schönen Nachmittag am See beim Baden. Am Abend wurde gegrillt und am nächsten Morgen noch zusammen gefrühstückt, worauf der Abschied gar nicht so leicht viel wie erwartet.

Trotzdem freuten wir uns und hatten Hummeln im Hintern. Rudi brachte uns schließlich am Morgen nach Görlitz auf deutscher Seite. Dort wurde ein letztes Mal das Gepäck kontrolliert, das sich seit der Abfahrt in der Heimat bereits an den Rädern befand, ein Startfoto aufgenommen und endlich ging es los. (Bis heute ist die Frage ungeklärt, ob wir oder doch Rudi aufgeregter waren.) Da sich Deutschland und Polen Görlitz quasi teilen, war schnell die polnische Grenze erreicht und das erste Grenzfoto wurde geschossen. Anschließend konnten wir meist kaum sagen, ob wir uns nun in Polen oder Deutschland befanden, da der Radweg förmlich auf der Grenze verlief. Begeistert entdeckten wir die ersten Obstbäume, die überall auf den Wiesen standen, waren aber noch viel zu enthusiastisch, als dass wir angehalten hätten, um eine Zwetschge zu pflücken. Und so radelten wir über Teile des Jakobsweges bei strahlendem Sonnenschein bis zur tschechischen Grenze vor uns hin. Und ab da wurde es dann auch schon komplizierter.

Total begeistert stellten wir fest, dass es auch in Tschechien ausgewiesene Radstrecken gibt. Diese orientieren sich von ihrem Namen her an größeren Orten, zu denen sie führen. Also schauten wir kurzer Hand auf die Karte, welcher Ort in unserer angepeilten Richtung lag und folgten den Schildern. Zumindest folgten wir ihnen etwa zehn Minuten, dann verpassten wir das erste Schild. Dieses Schild hing nämlich ziemlich versteckt im Gebüsch und daher verbrachten wir erst mal einige Zeit damit danach suchend in der Weltgeschichte rumzueiern. Naja, halb so wild, wir waren schließlich gerade erst gestartet und wer sich verfährt, sieht bekanntlich mehr auf seiner Reise. Als wir schließlich den richtigen Weg wiedergefunden hatten, ging es also weiter und schon durften wir den nächsten Unterschied zu den Radwegen in Deutschland kennen lernen. Während in Deutschland die Radwege fast immer sehr gut fahrbar sind und es vermeiden all zu starke Steigungen inne zu haben, führten die ausgewiesenen Wege in Tschechien nicht nur volle Möhre durch die Berge, sondern gefühlt auch ohne Serpentinen einfach gerade aus drüber. Was Marielle vermutlich schon ohne 15 kg Gepäck plus Wasser an ihre Grenze gebracht hätte, gab ihr mit ihrem 8-Gang-Fahrrad von eBay so den kompletten Rest. Nach den ersten stetigen Kilometern bergauf war der Wille gebrochen und es musste das erste Mal geschoben werden. Gut, dass es da so aufmunternde Sprüche gibt wie „Wer sein Fahrrad liebt, der schiebt“. Total hilfreich.
Aber das Schöne am bergauf ist erstens die Aussicht und das Gefühl, wenn man endlich oben angekommen ist und zweitens, dass es danach auch wieder bergab geht. Bergab brach dann auch starke Euphorie aus, da man mit dem ganzen Gewicht am Fahrrad ganz schön an Geschwindigkeit aufnahm. Und so schlängelten wir uns durch die ersten größeren Hügel oder Berge (subjektives Empfinden kann Hügel schon mal zu Bergen werden lassen) und entdeckten die ersten kleinen Orte, die man bei uns mit dem wunderschönen Wort „Kaff“ bezeichnen würde. Wobei ein Kaff in Deutschland dagegen noch wie eine Kleinstadt wirkt. Es ist faszinierend, wie abgeschieden manche Orte liegen und ständig überlegten wir, was die Leute hier wohl arbeiten und wie sie ihre Freizeit verbringen. Wobei eines direkt ersichtlich war: jeder baut Obst und Gemüse in seinem Garten an.
Nachdem wir den halben Tag den Radschildern in Tschechien gefolgt waren, ging uns das erste Mal das Wasser aus und wir mussten die Leute nach Wasser fragen. Und schon die zweite Frau, die wir deswegen ansprachen, füllte uns ohne Weiteres alle Flaschen auf und es konnte weitergehen. Allerdings dieses Mal nicht mehr nach den mehr oder weniger hilfreichen Radschildern, sondern wieder nach Karte. So suchten wir auf dieser gegen Abend nach einer möglichen Stelle zum Zelten in der Nähe von Wasser und fanden sie auch.

Für die erste Nacht hätten wir es nicht besser treffen können. Vollkommen abgeschieden in einem kleinen Wald an einem schmalen Bachlauf. Optimal um mit dem Wildcampen warm zu werden und die erste Nacht auf unserer Tour zu verbringen. (Marielle würde diesen Platz im Nachhinein als den perfekten Zeltplatz bezeichnen, denn es war der einzige Platz, an dem es – und das trotz des Wassers – keine Mücken gab.) Da wir allerdings noch vollkommen ungeübt waren, mussten auf der Suche nach den verschiedensten Dingen fürs Kochen und Zelt aufbauen alle Taschen geöffnet und durchsucht werden, bis man schließlich das aufgetrieben hatte, was man suchte. Meistens befand sich das natürlich in der letzten Tasche, in die man schaute. Man kennt das. Gut, dass wir nur so wenig Zeug dabeihatten, da ging das Ganze trotzdem recht fix. Als das Zelt stand und der Wassertopf auf dem Gasbrenner stand, erledigten wir nacheinander die Tageswäsche in dem kleinen Bach. Eine echte Wohltat nach der täglichen Hitze. Henning holte anschließend noch seine Angel raus und hatte in weniger als einer Minute einen Fisch an der Leine. Der wanderte allerdings wieder ins Wasser und wir aßen unser Instant-Kartoffelpüree. Dann wurde noch schnell der Abwasch erledigt, die Sachen verstaut und schon hieß es ab ins Bett, denn der nächste Tag würde sicherlich genauso spannend werden.