Was tun, wenn es mal nicht so passt?
Wir erreichen Bulgarien per Boot, genauer gesagt per Fähre, da wir von Rumänien aus über die Donau übersetzen und in Nikopol landen. Hier widerfährt uns bereits die erste wunderbare Begegnung. Wir versuchen, wie bisher an jeder Grenze, ein Foto von uns und dem Grenzschild zu machen, als ein LKW-Fahrer, der wartet, dass er mit der angekommenen Fähre in Gegenrichtung nach Rumänien übersetzen kann, unsere Versuche bemerkt. Obwohl sich die wartende Fahrzeugschlange bereits in Bewegung setzt, springt dieser aus seinem LKW, rennt zu uns herüber, macht direkt mehrere Fotos von uns zusammen mit dem bulgarischen Grenzschild und verabschiedet sich dann lachend wieder und rennt zurück zu seinem LKW, der inzwischen die wartenden Fahrzeuge blockiert. Wir winken noch und er hupt, dann ist er verschwunden. Eine wunderbare Begegnung mit der wir in dem neuen Land, unserem 13. Land auf dieser Reise, aufgenommen werden. Leider soll es allerdings die erste und einzige bleiben, wie wir später feststellen werden. Im restlichen Sonnenlicht, das von diesem Tag, die bereits spürbar kürzer werden, noch übrig ist, machen wir uns auf den Weg, um unseren Platz für die Nacht zu finden.





Am nächsten Tag erwachen wir und von der Sonne vom Vortag ist nichts mehr zu erahnen. Es ist ziemlich kalt, einstellige Temperaturen, und als wir es endlich geschafft haben uns in der Enge des Zeltes in unsere diversen Schichten zu verpacken, kriechen wir heraus und finden uns in einer dichten Suppe aus Nebel wieder. Wir können nur einige Meter weit gucken. Dank des Nebels geht die Kälte so durch und nach nur wenigen Minuten frieren wir bis auf die Knochen. Etwas bedröppelt sitzen wir dort, zwischen den Büschen nur einen Steinwurf von der Donau entfernt und können diese nur erahnen, aber nicht sehen. Wir geben schon ein trauriges Bild ab, stellen wir fest und müssen lachen.
Nach dem Frühstück packen wir unser plädder nasses Zelt ein, hängen aber zunächst das Innenzelt aus, um es separat zu verstauen und so die Chancen zu erhöhen, heute Abend nicht in einem tropfnassen Innenzelt zu liegen. Darauf zu warten, dass hier irgendetwas trocknet, brauchen wir definitiv nicht. Wir steigen auf unsere Räder und fahren los, wobei nach nur wenigen Kilometern unser Tanz des „Was ist die richtige Kleidungswahl?“ beginnt. Immer wieder halten wir an, um etwas aus oder dann doch wieder anzuziehen. Scheinbar ist es entweder zu warm oder zu kalt. Wie unser erster Eindruck von Bulgarien ist, können wir im Grunde gar nicht sagen, da wir schlichtweg nichts erkennen können. Die Büsche und Bäume am Straßenrand sind grade so zu erkennen.



Es ist bereits Mittag, als sich der Nebel endlich lichtet und die Sonne durchkommt. Als sie sich schließlich gänzlich durchgesetzt hat, halten wir an, um Pause zu machen und außerdem unser Zelt und unsere Schlafsäcke zu trocknen. Also suchen wir uns ein Feld, stellen die Räder ab, bauen das Zelt auf, hängen die Schlafsäcke über die Fahrräder und essen Obst und die Walnüsse, die Constantin und Viki uns noch mitgegeben hatten. Als das Außenzelt endlich trocken ist, hängen wir noch das Innenzelt ein und warten wieder. Denn auch wenn unser Zelt Wasserdicht ist, werden die Schlafsäcke bei einem solchen Nebel, besonders bei einem so niedrigen Taupunkt, trotzdem feucht und das ist auf Dauer weder gut für die Schlafsäcke noch ein besonders angenehmes Gefühl, wenn man abends hineinschlüpft. Schließlich ist alles getrocknet und wir können alles wieder einpacken und weiterfahren. Definitiv nicht ganz die entspannte Mittagspause, wie man sich das wünscht. Gegen Abend kommen wir noch durch Pleven, eine etwas größere Stadt und nach ein paar unsinnigen Sackgassenfahrten, schaffen wir es schließlich noch hinaus, finden allerdings keinen besonders geeigneten Zeltplatz. Wir befinden uns im Farmland und überall sind braune Felder zu sehen, die frisch umgepflügt sind. Nicht unbedingt optimal, um darauf zu zelten. Als es jedoch schon dunkel wird, geben wir auf und versuchen unsere Fahrräder möglichst über den Grünstreifen in die hinterste Ecke eines Feldes zu schieben, wo ein kleines Stück Wiese und Bäume zu erkennen sind.




Am nächsten Morgen dürfen wir jedoch feststellen, dass diese Platzwahl definitiv eine ziemlich dämliche Idee von uns war. Wir erwachen wieder bei kalten Temperaturen und als es während unserer Morgenroutine dann auch noch anfängt sehr stark zu regnen, hängen wir schnell unser Innenzelt aus und verkriechen uns im noch stehenden Außenzelt und frühstücken dort zunächst im Trockenen ganz in Ruhe. Immerhin haben die Temperaturen den Vorteil, dass wir unsere Haferflocken wieder mit Milch essen können. Zumindest ein kleiner Trost. Es regnet lange und stark und wir warten und warten. Nach zwei Stunden hört es endlich auf und wir packen auch das Außenzelt ein und versuchen uns auf den Rückweg zur Straße zu machen. Versuchen deshalb, weil der Regen das Feld in eine absolute Schlammfalle verwandelt hat und der Dreck am Ende so sehr in unseren Reifen hängt, dass ich mein Fahrrad nicht einmal mehr schieben kann. Matsch, Lehm und Dreck haben sich zwischen den Schutzblechen und an den Bremsen dermaßen festgesetzt, dass nichts mehr geht. Weder vor noch zurück. Henning kommt zurück zu mir gestakst und gemeinsam hieven wir auch mein Fahrrad zurück zur Straße. Dort angekommen laden wir all unser Gepäck wieder ab und beschäftigen uns die nächste Stunde damit unsere Fahrräder überhaupt wieder fahrtüchtig zu bekommen. Benutzen wir anfangs noch Stöcke, die wir uns gesucht haben, gewinnt die Frustration schnell die Oberhand und wir klauben den Dreck und Schlamm mit den bloßen Händen aus allen Ritzen, testen immer wieder, ob es jetzt läuft, rollen die Reifen durch die entstandenen Pfützen am Straßenrand und irgendwann ist es so weit, dass die Räder zwar noch aussehen wie Sau, aber wir zumindest wieder fahren können. Inzwischen ist es fast Mittag.




Das Wetter bessert sich jedoch den ganzen Tag nicht wirklich. Es regnet immer wieder und ist wirklich kalt. Teilweise rinnen ganze Bäche über die völlig kaputten Straßen in den Dörfern, durch die wir kommen. Als wir mittags ein Dorf erreichen, verziehen wir uns zum Essen in eine Bushaltestelle an einem Marktplatz, um zumindest vor dem Regen geschützt zu sein. Nach kurzer Zeit gesellen sich zwei Männer zu uns und trinken gemeinsam etwas aus einer Thermoskanne, aus der sie uns ebenfalls etwas anbieten. Wir lehnen dankend ab, da wir von der Wolke, die zu uns herüber wabert, schon fast betrunken werden. Was auch immer in der Kanne ist, würde uns vermutlich die Lampen anknipsen, was zum Radfahren nicht so gut ist, aber zumindest auch kurzfristig einheizen, was durchaus eine Überlegung wert wäre. Denn wir frieren. Es ist nass und kalt. Keine gute Kombination und wir fahren daher unmittelbar nachdem wir mit Essen fertig sind weiter, da rumsitzen und frieren auch nicht sehr erholsam ist. Kurz nach diesem Dorf vermeiden wir eine große Bundesstraße, indem wir über eine Schotterpiste fahren und kommen durch winzige Orte wie Dolna Kremena, die im Nebel und Regen mehr als trostlos wirken. Überall stehen verlassene Häuser, teilweise sind es riesige Mehrfamilienkomplexe, die wie aus der Zeit des Kommunismus wirken und wo alleine ein Gebäude sicher Platz für 40 Parteien bietet. Allerdings ist hier überhaupt nichts und wir fragen uns, warum hier so viele Leute leben sollten. Naja, vielleicht waren wir nicht die einzigen, die sich das gefragt haben und daher steht das Gebäude neben so vielen anderen leer.







Nachdem wir abends noch einkaufen waren, erreichen wir immerhin noch eine Gegend, die sich gut zum Zelten eignet, da hier die Felder noch nicht umgepflügt wurden. Zudem hat es aufgehört zu regnen, sodass wir immerhin im Trockenen Kochen können, was ja auch schon viel wert ist. Im letzten bisschen Tageslicht versuchen wir noch irgendwie etwas von unserem Zelt zu trocknen, was sich als vollkommen aussichtsloses Unterfangen entpuppt und so versuchen wir die gedrückte Stimmung mit einem heißen Kakao zu verbessern bevor wir in unser reichlich nasses Zelt kriechen.



Und so läuft es eigentlich die ganzen nächsten Tage. Wir kriechen morgens bei sehr kalten, einstelligen Temperaturen aus dem Zelt in den dichten Nebel, der uns jeden Morgen in Empfang nimmt und bis wir unser Frühstück zu uns genommen haben, haben sich unsere Füße bereits wieder in Eisklötze verwandelt. Vor allem bei mir gibt es eigentlich nur noch einen Moment am Tag, in dem ich meine Füße tatsächlich wirklich spüren kann und das ist morgens beim Aufwachen. Schon wenige Minuten nachdem ich aus dem Zelt bin, sind sie eiskalt und taub und selbst, wenn wir abends wieder in unsere Schlafsäcke gehen, bin ich eingeschlafen bevor meine Füße wieder aufgetaut sind. Jeden Morgen packen wir das vom Nebel nasse Zelt ein und hoffen, dass die Sonne es vielleicht zumindest mittags ein bis zwei Stunden schafft den Nebel zu vertreiben und wir es trocknen können. Manchmal haben wir Glück, oft genug aber auch nicht.








Es fällt uns schwer unsere Zeit hier wirklich zu genießen, denn nach ein paar Tagen aus Nebel, Kälte und Nässe, schlägt uns das Wetter auf die Gemüter. Wenn man dann die meisten Stunden am Tag nicht wirklich viel von der Umgebung erkennen kann, da der Nebel alles verschluckt, kann man abends noch so viel Kakao trinken, das hilft dann alles nicht wirklich die Stimmung zu heben. Zudem ist Bulgarien nicht einfach nur flach. Zum Glück, denn wir finden Landschaft mit Hügeln und Bergen eigentlich immer interessanter und schöner als plattes Land. In diesem Fall allerdings macht es die Sache tatsächlich eher schlimmer als besser, denn wenn es steil bergauf geht, fangen wir natürlich trotz Kälte an zu schwitzen und sind teils komplett nassgeschwitzt, wenn wir endlich oben ankommen. Bei einstelligen bis knapp zweistelligen Temperaturen ist das tödlich. Denn selbst wenn wir in diesem Moment schwitzen, ist uns nicht warm und wenn wir endlich oben sind, fangen wir dafür noch umso mehr an zu frieren. Teilweise wechseln wir sogar die Oberteile, obwohl uns bewusst ist, dass das nasse Shirt wohl nicht trocknen wird. Und Mittags nie eine entspannte Pause zu haben, weil man entweder damit beschäftigt ist alles, was man hat, aufzubauen und zu trocknen oder sich den Hintern abfriert und nur schnell versucht etwas zu essen bevor es weitergeht, zehrt zusätzlich an den Kräften.
Wir sind uns sehr sicher, dass Bulgarien ein schönes Land ist, wissen es sogar, da unsere Fahrt durch die Schlucht am Fluss Iskar trotz des Wetters wunderschön und die Landschaft wirklich beeindruckend war. Aber wir sind uns sicher, dass es bessere Zeiten als den Spätherbst gibt, um hier zu reisen. Denn es sind nicht nur Nebel, Kälte und Nässe, die uns auf die Stimmung schlagen, sondern auch, dass wir zu Beginn vor allem eigentlich nur Braun sehen, da die ganzen Felder umgepflügt sind, dort nichts mehr wächst und das die Trostlosigkeit, die das Wetter und die vielen halbverlassenen Dörfer mit ihren vielen kaputten Häusern verbreiten, noch weiter unterstreicht.










Als wir schließlich Sofia erreichen und dort beide mit Halsschmerzen, Schnupfen und Unwohlsein krank werden, treffen wir schließlich eine Entscheidung. Es hat eine Weile gedauert diese zu treffen, aber schließlich sind wir uns sicher, uns richtig entschieden zu haben. Eigentlich hatten wir durch Nordmazedonien nach Albanien und von dort aus nach Griechenland fahren wollen. Beide Länder waren nicht groß und im Grunde würde es nicht so lange dauern, das wussten wir und wir reisten ja schließlich mit dem Fahrrad. Allerdings ließ unsere App zur Routenplanung erkennen, dass es auf dem Weg nach Albanien doch noch sehr bergig werden und wir uns auf über 1.000 m hochschrauben würden. Dort wäre es dann noch kälter als jetzt schon.
Am Ende fiel unsere Entscheidung spontan, aber als sie gefallen war, waren wir mehr als glücklich darüber. Wir waren zum Busbahnhof in Sofia gefahren und hatten uns interessehalber erkundigt, was für Busse von dort nach wo fahren würden und ob es möglich war Fahrräder mitzunehmen. Eine dreiviertel Stunde später hatten wir zwei Tickets gebucht. Wir hatten genug. Wir waren beide krank wegen des Radfahrens bei dem nasskalten Wetter, uns fehlte der Kontakt zu Einheimischen, der sich als recht schwierig herzustellen erwies und am aller wichtigsten: wir konnten beide das Fahren und unsere Zeit in diesem Land nicht wirklich genießen. Und an diesem Punkt war uns endlich bewusst geworden, dass es auf unserer Reise doch nicht ums Fahrradfahren geht und auch noch nie ging. Es geht und ging immer darum Land und Leute kennenzulernen, abtauchen zu können und möglichst viele Erfahrungen zu sammeln, viel über Land und Leute zu lernen und möglichst schöne Erlebnisse zu haben. Und wenn wir beide momentan das Gefühl hatten, dass eben das fehlte, sollten wir schleunigst daran etwas ändern und nicht auf Teufel komm raus alles selber fahren wollen, nur um am Ende sagen zu können, dass man die Strecke selber mit dem Rad gefahren war.




Daher saßen wir nur knappe 12 Stunden später sehr zufrieden mit unserer Entscheidung in einem großen Reisebus, unsere treuen Reisegefährten waren im Frachtraum verstaut und machten uns auf den Weg zum 350 km entfernten und hoffentlich deutlich wärmeren Thessaloniki in Griechenland. Vielleicht würden wir eines Tages nochmal wiederkommen und Bulgarien eine zweite Chance geben, aber dann doch lieber im Sommer.
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