Perle an der Adria
Glücklicherweise war Hennings Coronaerkrankung genau passend abgeklungen und wir konnten doch noch unsere gebuchte Fähre von Italien nach Kroatien nehmen. Die Fahrt dauerte 11 Stunden und ging glücklicherweise über Nacht, sodass wir auf unseren mit nach oben genommenen Isomatten in unseren Schlafsäcken gemütlich schlafen konnten. An das mit Maske schlafen hatten wir uns in den letzten zwei Wochen in Italien schon gewöhnt. Wir verließen um 22 Uhr den Hafen in Ancona und erwachten grade rechtzeitig, um das Einlaufen in den Hafen in Split mitzubekommen.




Als wir endlich das Schiff verlassen und die Passkontrolle zur Einreise geschafft hatten, prasselten einige Erinnerungen auf uns ein. Wir waren bereits 2018 mit den Fahrrädern hier gewesen, als wir eine vierwöchige Tour durch Osteuropa gemacht hatten. Wir freuten uns die verschiedenen Orte wiederzuerkennen, wussten aber auch, was uns entlang der Küste erwarten würde und die Aufregung Neues zu entdecken blieb daher aus. Nach so viel Aufregung wegen Corona erst mal nicht tragisch, wobei wir an keinem bereits bekannten Ort campen konnten, da wir es langsam angingen, um Henning nicht gänzlich zu überfordern. Unser Campingplatz in der ersten Nacht war allerdings schon etwas Besonderes. Es ist nicht immer ganz leicht so direkt an der Küste etwas zu finden, besonders nicht zur Ferienzeit, da alles voller Leute ist. Daher freuten wir uns, als wir eine Bauruine entdeckten. Das Haus hätte vermutlich mal sehr schön werden sollen, allerdings war der Bau nie über die Mauern hinausgekommen. Daher schlugen wir im Wohnzimmer unser Zelt auf. Als wir aber abends im Dunkeln grade schlafen wollten, es war 22 Uhr, knallte es plötzlich ohrenbetäubend und wir saßen senkrecht in unseren Betten, als eine wunderschöne Feuerwerksfontäne den Himmel erhellte. Genau gegenüber von uns, am Rand über dem Steinbruch fand ein offizielles Feuerwerk statt und wir hatten die absoluten VIP Plätze. 15 Minuten konnten wir das Schauspiel genießen. Das war mal ein besonderer Start in ein neues Land.







Als wir zwei Tage später bei meiner Schwester sowie deren Familie und Freunden auf einem Campingplatz ankamen, freuten wir uns sehr. Nicht nur, weil dies eine Pause bedeuten würde, sodass Henning sich vernünftig von Corona erholen konnte, sondern auch, weil wir alle so lange nicht mehr gesehen hatten und es vorläufig das letzte Mal wäre, bevor wir wirklich in den Osten aufbrechen würden. Aber zunächst war Kraft tanken angesagt und das taten wir auch. Wir verbrachten wunderbare zehn Tage. Der Kopf konnte abschalten, da er sich nicht darum kümmern musste, wo er abends schlafen würde oder Acht geben musste, nicht von überholenden Fahrzeugen platt gefahren zu werden und da mein Schwager nicht nur gerne, sondern auch gut kocht, brauchten wir uns nicht mal Gedanken um das Essen machen. Stattdessen wurden wir mit dem Boot mitgenommen, schnorchelten, sammelten Muscheln und Seeigel, ließen uns die Sonne auf den Bauch scheinen, spielten Brettspiele und genossen die abendlichen Runden, in denen alle zusammensaßen und sich unterhielten. Es war auch mal schön nicht immer nur die gleiche Person zum Reden zu haben.















Eigentlich hatten wir vorgehabt bereits nach einer Woche weiterzufahren, allerdings machte uns Hennings Immunsystem nochmals einen Strich durch die Rechnung. Zunächst hatten wir gedacht, dass Henning einen Bremsenstich hatte, tatsächlich war es aber ein Abszess. Nichts Dramatisches, aber sehr schmerzhaft und etwas, was man behandeln lassen sollte. Grade in Hinblick auf die kommenden Länder wollten wir nicht, dass der Abszess mitten im Nirgendwo aufging und Henning im schlimmsten Fall noch eine Blutvergiftung bekam. Das fehlte uns noch. Uli und Tanja, die mit meiner Schwester Urlaub machten, waren so lieb und liehen uns ihren Roller, womit wir zum Arzt fuhren. Zumindest an der Rollerfahrt hatten wir reichlich Spaß. Es ist auch mal schön ohne Anstrengung von A nach B zu kommen. Leider waren jedoch alle drei Hautärzte in den angrenzenden Städten im Urlaub und in der letzten Praxis sagte man uns, dass wir am besten ins Krankenhaus fuhren. Dort angekommen, merkten wir schon, dass das nicht mehr ganz das war, was wir an medizinischem oder hygienischem Standard gewohnt waren. Die Anamnese fand im Flur statt und als endlich jemand für Henning kam, wurde er mitten im Eingangsbereich der Notaufnahme voruntersucht. Da haben nicht nur wir dumm geguckt, sondern alle anderen hatten auch was zu Schauen.


Helfen konnte man Henning zum Glück trotzdem und etwas später als geplant fuhren wir schließlich mit einer Flasche Jod im Gepäck, um die Wunde irgendwie säubern zu können, weiter. Wir wollten noch ein Stück weiter die Küste hoch bis Vir. Zum einen, weil wir dort schon 2018 auf den roten Klippen gezeltet hatten und dort im Meer geschnorchelt waren und es so wunderschön in Erinnerung hatten, dass wir gerne nochmal dorthin wollten, sondern auch, weil unser eigentliches Ziel das Auge Kroatiens bzw. das Drachenauge waren. Dabei handelt es sich um eine Süßwasserquelle, die von oben wie ein Drachenauge aussieht, nur 8°C warm ist und in der, wenn man sich denn traut, schwimmen kann. Das Drachenauge wäre vom Campingplatz aber nur knappe 80 km entfernt gewesen und wir hätten kaum etwas von Kroatien gesehen, da es von dort für uns weiter nach Bosnien und Herzegowina gehen sollte. Der Weg nach Vir ist allerdings alles andere als schön. Natürlich ist das Meer weiterhin türkis, aber meistens sieht man ohnehin nichts davon, da es mit Hotels und Appartments zugebaut ist. Stattdessen quält man sich mit dem gesamten Verkehr, der nicht über die Autobahn fährt, über diese eine Straße. Es ist unglaublich laut und voll. Als Radfahrer zerrt es extrem an den Nerven und man fragt sich doch, wie man sich im Urlaub bei so etwas entspannen kann. Und natürlich ist alles, aber auch wirklich alles auf den Tourismus ausgelegt und damit im Grunde überhaupt nicht das, was wir sehen wollten.












Auf dem Weg nach Vir kamen wir auch an einer riesigen verbrannten Fläche vorbei. Wenige Tage zuvor hatte hier ein Feuer gewütet und wir hatten vom Campingplatz aus den Rauch am Horizont sehen können und die Löschflugzeuge waren stundenlang in unserer Bucht runtergegangen, um wieder Wasser zu tanken. Das Ausmaß der Zerstörung zu sehen, verursachte bei uns ein mulmiges Gefühl. Wir dachten ohnehin oft über diese Dinge nach, da wir schließlich einen Campingkocher nutzten. Wir versuchten damit natürlich so umsichtig wie möglich umzugehen und buddelten teilweise Löcher, aber manchmal nutzten wir ihn lieber gar nicht. Vor allem, wenn es zu windig war, war es uns bei einer solchen Trockenheit einfach zu riskant. Lieber nichts warmes zu Essen als zig Hektar Vegetation abzufackeln.




Zwei Tage später erreichten wir Vir. Es sah tatsächlich noch genauso aus, wie wir es in Erinnerung hatten und wir gingen eine Runde schnorcheln. Von den Fischen her hatten wir allerdings das Gefühl, dass kaum noch einer zu sehen war. Abends wurde es kurz vor Sonnenuntergang dann einmal sehr voll, wobei die meisten Leute sich nicht die Mühe machten bis auf die roten Klippen zu gehen. Die meisten Leute kamen nur mit ihren Autos angefahren, stiegen aus, stellten sich daneben, holten ihr Handy raus, fotografierten den Sonnenuntergang und fünf Minuten nachdem die Sonne weg war, waren auch alle Leute wieder verschwunden und wir hatten wieder unsere Ruhe. Wir saßen an diesem Abend noch lange nach Sonnenuntergang draußen und genossen den Platz, die Tatsache wieder zu zweit zu sein und keinen Abstand halten zu müssen und vor allem das Meer. Denn morgen wollten wir Richtung Drachenauge abdrehen und das bedeutete, dass wir für die nächsten Monate kein Meer mehr sehen würden. Ab morgen würde es ins kroatische Hinterland gehen. Wir freuten uns drauf.









