Teil 2 – Von wunderbaren Menschen und herzlicher Gastfreundschaft
Wir waren mal wieder den ganzen Tag damit beschäftigt gewesen uns über die Berge zu arbeiten, als wir gegen Nachmittag entlang eines Flusses an ein paar Hütten mit Grillplatz vorbeikamen. Da es den ganzen Abend und nächsten Tag regnen und gewittern sollte, fuhren wir nur noch kurz in den nächsten Ort, füllten unser Wasser auf und kamen wieder zurück. Wir hatten kaum unsere Räder über die Brücke zu dem Platz geschoben, als auch schon aus einer der Hütten ein Mann auf uns zu gerannt kam. Er lud uns zum Essen und auf etwas zu Trinken ein, denn sie hatten ein Lamm gegrillt uns es war mehr als genug da und wir sollten uns einfach dazusetzen. Diese Einladung nahmen wir sehr gerne an und so lernten wir Asko und seine Freunde kennen. Wir hatten uns noch nicht ganz gesetzt, da drückte uns Milorad schon ein Pinnchen mit Rakia in die Hand. Um den Magen schon mal aufzuräumen, hieß es. Da der Schnaps aus einer Apfelsaftflasche kam und entsprechend vermutlich selbstgebrannt war, konnte mir natürlich niemand sagen, wie viele Umdrehungen der eigentlich hatte. Viele würde ich behaupten, denn bei mir gingen sofort die Lampen an. Der Tag auf dem Rad mit den ganzen Höhenmetern und noch nichts zu Essen im Magen waren nicht die beste Grundlage, um Flugzeugbenzin zu trinken, denn genau danach schmeckte der edle Tropfen für mich. Anschließend wuselten alle herum, um uns Essen aufzutun und es herrschte ein wildes Durcheinander aus Deutsch, Englisch und Bosnisch. Wir stellten viele Fragen, was vor allem daher rührte, dass wir nichts über den Krieg in den 90ern wussten, lachten aber auch genauso herzlich miteinander. Es war ein unglaublich schöner Abend, der damit endete, dass man uns die gesamten Essensreste, den restlichen Rakia sowie 5 Liter Bier als Proviant überließ. Außerdem gab Milorad, der sich als der Dorf-Sherif mit echter Marke entpuppte, noch seine Handynummer. Für den Fall, dass wir Probleme in Bosnien bekamen, sollten wir ihn anrufen, er würde das dann schon klären. Das war doch mal was.







Am nächsten Tag goss es tatsächlich in Strömen und wir blieben, wo wir waren und saßen in einer der Hütten und vertrödelten den Tag. Um 15 Uhr kamen zwei Autos vorgefahren, die Türen gingen auf und zwei Männer schleppten je zwei Kisten Bier heran. Als sie uns sahen, kamen sie direkt vorbei und fragten ohne Zeit für eine Begrüßung zu verschwenden, ob wir auch eins wollten. „Pivo?“ Henning war dabei, ich nahm einen Saft, den sie auch im Angebot hatten. Mit unseren Getränken in der Hand sahen wir den beiden aus unserer Hütte heraus dabei zu, wie sie immer mehr Kisten heranholten und zuletzt einen Spieß mit einem Lamm. Aha, hier würde heute wohl wieder ein BBQ stattfinden. So kam es auch. Je später der Nachmittag wurde, desto mehr Leute tauchten auf und schließlich kam immer wieder jemand herüber, um uns ein Bier anzubieten und als das Lamm bald fertig war, lud man uns ein mitzuessen. So kamen wir innerhalb von 24 Stunden schon das zweite Mal in den Genuss zum Grillen eingeladen zu sein und dieses Mal war es vor allen Dingen auch noch warm. Danach blieben wir noch lange sitzen und unterhielten uns viel mit Stefan, der als einziger halbwegs Englisch konnte. Wir beide fielen ziemlich auf in unseren bunten Regenjacken, aber ich noch mehr als einzige Frau unter mehr als 20 Männern. Und dennoch war es vollkommen entspannt und wir fühlten uns wohl. Richtig schön wurde es, als sie anfingen zu singen. Hier hatte niemand eine Musik Box dabei, stattdessen stimmte irgendwann jemand ein Lied an und die anderen stimmten mit ein. Es klang nicht nur schön, wie so viele Männer sagen, sondern sangen sie mit einer unglaublichen Leidenschaft. Das Lied handelte von Freunden, die in weiter Ferne waren und ließ den Schmerz erahnen, den diese Nation durch den Krieg erfahren hatte. Denn von vielen waren Freunde oder gar Teile der Familie geflohen und danach nicht zurückgekehrt und man sah sich nur ein paar Mal im Jahr. Dieses Lied haben wir heute noch im Kopf und es berührte uns wirklich sehr.





Am nächsten Tag konnten wir endlich weiterfahren, da der Regen aufgehört hatte, auch wenn es noch sehr bewölkt war. Und auch in den kommenden Tagen, in denen wir quer durch das Land fuhren, hatten wir immer wieder sehr schöne Begegnungen. Einmal fragten wir abends beispielsweise nach einem Tipp für einem Zeltplatz und wurden kurzerhand eingeladen bei einem der Häuser im Garten zu Zelten. Im Laufe des Abends kamen die Leute nochmals vorbei, um uns Wasser, Saft und Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten zu bringen. Einen anderen Tag standen wir an einer Straße und redeten darüber, ob es hier wohl einen Bäcker oder Supermarkt gab, wo wir etwas zu Essen kaufen könnten, bevor es wieder über einen Berg ging, als plötzlich über uns die Frage ertönte, ob wir Hilfe brauchten. Als wir unsere Frage nach einem Supermarkt oder Bäcker geäußert hatten, wurden wir erst einmal zum Kaffee trinken eingeladen und dann mit einem frisch gebackenen Brot auf die Weiterfahrt geschickt. Eines Morgens standen wir vor einem Bäcker und überlegten, was wir essen wollten, als ein Mann fragte, ob wir Hilfe brauchten und uns dann kurzerhand ein Frühstück ausgab. Ein anderes Mal schoben wir uns grade im 1. Gang einen Berg hoch, als eine ältere Frau uns zu sich winkte und uns lauter Pflaumen schenkte, die sie grade in ihrem Garten pflückte.



Und zum Schluss hatten wir noch das Glück Edin kennenzulernen. Wir hatten nach einem Warmshower Platz gesucht und Edin hatte uns zugesagt. Er lebt in Sarajevo und als wir dort ankamen, mussten wir zunächst etwas warten, da er noch arbeitete. Wir bummelten also durch die Straßen bis er sich meldete, dass er nun zu Hause wäre. Bei uns würde man zu dem Gebäude, in dem Edin wohnt, Plattenbau sagen. Wofür es aber keinen Ausdruck gibt, sind die Granateneinschläge und Einschusslöcher, die man heute noch immer sehen kann, da oft noch immer kein Geld für die Reparatur da ist. Wir trugen unsere Räder in seine Wohnung, die zum Glück nur im 3. Stock lag und hatten den Luxus unser Gepäck mit dem Aufzug hochfahren zu können. Die Wohnung hatte schätzungsweise ca. 45 m² und einen kleinen Balkon und trotzdem fand sich locker Platz für uns und unsere beiden Fahrräder. Edin zeigte uns kurz alles und war dann auch schon wieder verschwunden. Er hatte extra seine Arbeit unterbrochen, nur um uns reinzulassen und damit wir nicht draußen warten mussten.
Die nächsten Tage lernten wir uns gut kennen und wir fühlten uns so wohl, dass wir spontan länger blieben. Wir unternahmen zusammen eine Radtour, wobei Henning und Edin natürlich Räder tauschen mussten, um danach anständig fachsimpeln zu können. Die beiden legten sich zudem neue Pedale zu und wir kauften uns blickende Rücklichter für die gefährlichen und beängstigenden bosnischen Tunnel. Wir aßen zusammen, quatschten abends lange, spielten Karten und machten uns gegenseitig mit Zaubertricks fertig. Es war einfach schön und entspannt. Und Edin war die ganze Zeit immer um unser Wohl besorgt und dass wir eine möglichst gute Zeit hatten. Einen Abend wurden wir noch von seiner Tante zum Essen eingeladen und verbrachten dort ein paar herrliche Stunden. Die Tante konnte praktischerweise Deutsch und war einfach zum Gern haben. Ständig lud sie die Teller nach und sagte, dass wir, wenn wir in der Gegend wären, jederzeit immer herzlichst Willkommen wären. Und das glaubten wir ihr sogar. Als es Zeit war nach Hause zu fahren, packte sie uns noch Tupperdosen voll und wir kugelten mehr nach Hause als alles andere. Gut, dass wir ausnahmsweise mal mit dem Auto und nicht mit den Rädern unterwegs waren. Als wir uns von Edin verabschiedeten, fühlte es sich schon wie der Abschied von einem Freund und nicht wie von einem Fremden an und wir hoffen wirklich, dass wir ihn auf unserer Tour nochmal sehen würden. Möglich wäre es, da er Ende September nach Istanbul fahren will, um dort einen Bosa zu trinken. Außerdem heißt es doch „man sieht sich immer zwei Mal im Leben“.









Bosnien und Herzegowina haben uns wahnsinnig beeindruckt und das nicht nur wegen der enormen Natur. Vor allem waren es die Menschen mit ihrer herzlichen Art und ihrer Gastfreundschaft. Menschen, die vor nicht allzu langer Zeit einen Krieg mitgemacht haben und trotzdem so warmherzig gegenüber Unbekannten sind, dass man sich wirklich willkommen fühlt. Menschen, die von durchschnittlich 400 € Lohn oder 100 € Rente im Monat leben, und mehr als bereit sind das, was sie haben, zu teilen und sei es mit einem vollkommen Fremden. Vor dieser Einstellung können wir nicht nur den Hut ziehen, sondern auch vieles davon lernen. Die Angst abzulegen, dass man nicht genug haben könnte und mit Freude zu teilen, da es noch immer gereicht hat.
Ihr 2 Abenteurer,
wir „verfolgen“ Euch immer, unnd wir sind beeindruckt von Eurer Courage. Nun haben wir Weihnachten, und Ihr seid weit weg von zu Hause (und ohne Weihnachtsgans auf dem Tisch!).
Viel Freude an der Reise wünschen wir Euch weiterhin
Christa + Helmut
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Hallo Christa, Hallo Helmut,
wir freuen uns immer von euch zu lesen.
Wir hoffen ihr habt schöne Weihnachtstage mit der Familie.
Wir feiern mit zwei anderen Radreisenden, das ist auch sehr schön.
Ganz liebe Grüße und einen guten Rutsch ins neue Jahr,
Marielle und Henning
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Wir können Euch nicht mehr „verfolgen“. Könnt Ihr uns in Erinnerung rufen, wie uns das gelingt (denn wir wollen Euch „verfolgen“). Alles Gute Euch beiden in dieser schlimmen, aber für Euch positiven Welt!
Liebe Grüße, Christa + Helmut
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Hallo ihr Zwei,
schaut mal bei diesem Link:
Folge mir auf meiner Reise ‘Fahrrad Weltreise ’ auf https://www.polarsteps.com/unterwegsdaheim/4933264-fahrrad-weltreise
Dort findet ihr unsere Route mit Reisetagebuch. Da in den letzten zwei Wochen so viel passiert ist, hingen wir ziemlich hinterher, aber jetzt ist es wieder aktuell.
Ganz liebe Grüße,
Marielle und Henning
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